Beurteilungen der Gentechnologien

Gentechnologie ist der Überbegriff für eigentlich drei sehr unterschiedliche Verfahren, die sich ihrerseits natürlich weiter differenzieren lassen: Klonen, Embryonenforschung / Präimplantationsdiagnostik (PID) und Genmanipulation. Alle drei Bereiche sind für alle Beteiligten völliges Neuland. Es gibt keine erprobten Lösungen, keine Regeln, nach denen diese Technologien angewendet werden müssen. Die ethischen Kriterien sind der Maßstab für eine neue Gesetzgebung, und bei deren Entwicklung ist zu beachten, dass sie möglichst logisch richtig, emotional vertretbar und praktisch durchsetzbar sein sollte.

Bisher sieht es eher so aus, dass die philosophischen, logisch richtigen Vorschläge dem Gefühl und dem „gesunden Menschenverstand“ widersprechen und andererseits die emotional als richtig empfundenen Ansätze philosophisch nicht widerspruchsfrei begründbar sind. Viele neigen nun dazu, rein gefühlsmäßig den Einsatz der genannten Techniken abzulehnen. Ich bin jedoch der Ansicht, dass man sich nicht nur auf seine Gefühle zurückziehen kann, die meistens das Herkömmliche, Bewährte schützen wollen und in Neuem automatisch eine Gefahr sehen. Dadurch wird der Menschheit die Möglichkeit genommen, sich weiterzuentwickeln und veraltete Moralvorstellungen abzulegen. Ich bin weiterhin der Meinung, dass alles, was gefühlsmäßig als unbedingt richtig angesehen wird, auch philosophisch begründbar ist. Ist dies bisher nicht gelungen, mangelt es an richtigen Ansätzen. Schließlich sind wir keine Gesellschaft, die ihre größten Werte auf Unwahrheiten aufgebaut hat. Für ein Gefühl gibt es oft auch gute logische Gründe. Die Kunst ist nur, darauf zu kommen.

Wenn jemand einerseits in dieser Debatte eine Position bezieht und andererseits diese Position dann durch Ausnahmen und Abwägungen wieder aufweicht, so finde ich, dass dies eine denkbar schlechte Ausgangsbasis für eine homogene Gesetzgebung ist. Im Idealfall sollte es für jedes Problem einen Lösungsansatz geben, mit dem sich, ohne einen Widerspruch zu erzeugen, auch die Positionen zu den anderen Problemen vertreten lassen und der außerdem nicht auf subjektive Abwägungen angewiesen ist, sondern absolute Positionen definiert und diese auch beibehält.

Eine solche Lösung zu finden ist mir selbstverständlich nicht gelungen. Ich halte meinen Ansatz jedoch – auch, oder gerade, im Vergleich mit den von uns befragten Experten – für relativ konsequent und logisch richtig. Ich will meine Ideen und Vorschläge im Folgenden darstellen. Dabei werde ich nicht jede bisher in dieser Diskussion aufgetretene Position wiedergeben. Dort, wo ich mich auf Ausführungen anderer Philosophen beziehe, entweder, um sie zu widerlegen oder meine eigene Argumentation damit zu stärken, werde ich diese explizit erwähnen und kurz inhaltlich vorstellen. Es ist jedoch nicht Ziel dieser Arbeit, einen Überblick zu geben über die bisherige Debatte.

 

Embryonenforschung: Wann ist der Mensch ein Mensch?

Das Problem, ob man an Embryonen forschen und sie zu diesem Zweck auch verbrauchen darf oder nicht, lässt sich schnell auf eine viel grundlegendere Frage reduzieren: Ab wann ist ein biologisch menschliches Lebewesen schützenswert, oder: Wann ist ein Mensch (der biologische Mensch, also auch ein Embryo) ein Mensch (der Mensch als Inhaber der Menschenwürde)?

Menschen wird Menschenwürde zugesprochen, weil sie bestimmte Eigenschaften besitzen, die ihren Selbstzweck definieren. Dies sind Autonomie, Entscheidungsfreiheit, Selbstbewusstsein u.a. Dass ein Embryo diese Eigenschaften nicht hat, ist offensichtlich. Nun gibt es in der Diskussion zwei Positionen: die eine, beispielhaft vertreten durch Spaemann, fordert, Embryonen dennoch kategorisch zu schützen. Für die andere Position hat sich Merkel hervorgetan, der zeigt, dass Spaemanns Argumente nicht haltbar sind und Embryonen daher kein Schutz zukommen kann.

Merkel unterteilt Spaemanns Ansichten in vier zentrale Argumente: das Spezies-, das Kontinuums-, das Potenzialitäts- und das Identitätsargument. Dann widerlegt er jedes dieser Argumente einzeln. Das Speziesargument besagt, man müsse alles menschliche Leben schützen, nur weil es eben zu dieser Spezies gehört. Dies ist ein offenkundiger naturalistischer Fehlschluss. Das Kontinuumsargument erklärt es für unzulässig, zumindest aber willkürlich, einen Einschnitt in eine kontinuierliche Entwicklung vorzunehmen, wie sie beim Embryo vorliegt. Merkel behauptet, wenn man eine Grauzone definiert und einen Einschnitt weit genug davor ansetzt, sei dieser durchaus legitim. Schließlich bliebe die Nacht ja auch nicht immer Nacht, sondern werde irgendwann zum Tag, auch wenn die Dämmerung dazwischen ein Kontinuum darstellt. Das Potenzialitätsargument will das Potenzial zur Entwicklung eines vollständigen Menschen schützen. Als Gegenbeispiel führt Merkel an, dass dann auch jede Ei- und Samenzelle geschützt werden müsste, da sie ebenfalls ein solches Potenzial enthalten. Das Identitätsargument schließlich sieht eine Identität des Embryos mit dem späteren Menschen „in der entscheidenden Hinsicht“. Da bereits das Embryonalstadium mit dem späteren Menschen identisch sei, müsse dieses auch schon geschützt werden. Diese entscheidende Identität ist nach Merkel aber nur eine genetische. Und dass diese allein nicht schützenswert ist, hat bereits das Speziesargument gezeigt.

Um diejenigen, die diese Eigenschaften nicht besitzen, also Behinderte, Alte, Geisteskranke, Kleinkinder, nicht jeglichem Schutz zu entziehen, führt er die Gattungssolidarität ein. Diese ist ein zulässiges Prinzip, nach welchem wir grundsätzlich alles menschliche Leben schützen müssen. Dieser Schutz ist jedoch nicht absolut, wie könnte er auch, ist er doch ein emotionales Prinzip, und Gefühle kann man nicht erzwingen. Merkel verdeutlicht uns dies am Beispiel des brennenden Labors mit 1000 In-Vitro-Embryonen und einem Neugeborenen. Man kann nur entweder die Embryonen oder das Neugeborene retten. Wie würden wir uns entscheiden? Dies zeigt auch das Problem auf, das bei einer Beschränkung des Schutzes der genannten Gruppen auf die Gattungssolidarität auftritt: ein Leben ist nicht mehr absolut unantastbar, es ist gegen ein anderes abwägbar. Warum sollte ich, als voll entwickelter Mensch, als Inhaber der Menschenwürde, nicht einen Behinderten umbringen, weil ich ein Organ von ihm brauche? Mein Leben ist doch viel mehr wert...

So brillant Merkel argumentiert, so unbefriedigend ist das Ergebnis: ein Embryo ist nicht schützenswert, ein Neugeborenes erst einmal auch nicht – ab wann ist der Mensch denn Inhaber der Menschenwürde?

Zu dieser Frage hat sich Ulrich Steinvorth hervorgetan. Dabei zeigt er – biologisch, wohlgemerkt, nicht philosophisch, – dass das Kontinuumsargument in Bezug auf die Entwicklung eines Embryos falsch ist.

Steinvorth hat ein Ereignis gefunden, das einerseits den Beginn eines neuen Stadiums markiert und sich andererseits seiner Meinung nach auch noch hervorragend dazu eignet, als Beginn des schützenswerten menschlichen Lebens angesehen zu werden. Ca. 14 Tage nach der Zeugung nämlich hat der Embryo ein wichtiges Merkmal seines vorherigen Stadiums verloren: er ist nicht mehr beliebig teilbar. Diese neue Form nennt sich Gastrula. Steinvorth führt zur Verdeutlichung den Begriff „Dividuum“ ein. Wir würden uns selbst als Individuen bezeichnen und auch nur solchen die Menschenwürde bzw. ein Recht auf Leben zusprechen. „Individuum“ bedeutet wörtlich übersetzt „Unteilbares Wesen“. Da ein Embryo bis zu einem Alter von 14 Tagen jedoch beliebig teilbar ist, indem man eine Zelle abtrennt, die sich dann wie ein selbständiger Embryo weiterentwickelt, müssen wir von einem „Dividuum“ sprechen, also von einem „Teilbaren Wesen“. Leben, das beliebig vervielfältigt werden kann und somit nicht einzigartig ist, ist nach Steinvorth nicht schützenswert. Sein Vorschlag lautet also, Embryos bis zu einem Alter von 14 Tagen zur Forschung freizugeben.

Da auch jedes Tier biologisch individuell ist, reicht die bloße Individualität als Kriterium für die Zuerkennung von Menschenwürde nicht aus. Meine erste Annahme, dass er dafür auf das Speziesargument zurückgreift, um die besondere Berechtigung menschlichen Lebens gegenüber tierischem zu rechtfertigen, hat sich als falsch erwiesen. Stattdessen benutzt Steinvorth die Individualität nur als hinreichende, nicht als notwendige Bedingung. Hierfür bedient er sich des Potenzialitäts- und des Identitätsarguments.

Hier vergisst Steinvorth, dass beide Argumente ursprünglich den absoluten Schutz des Embryos begründen sollten. Warum ein Embryo, wenn er noch teilbar ist, nicht das gleiche Potenzial wie ein unteilbarer Embryo in sich tragen soll, ist ebenso unklar, wie die Frage, warum denn nicht ein „Dividuum“ genau so identisch mit dem späteren Menschen ist wie ein „Individuum“. Steinvorth selbst führt als Begründung für das Identitätsargument an, der spätere Mensch würde sagen: „Das damals war auch schon ich!“ Würde er das bis zum 14. Tag nicht sagen?  Steinvorth zeigt, dass jede Zelle sich unabhängig von den anderen entwickelt, bis ab dem 14. Tag alle Zellen zentral gesteuert werden. Somit hätten wir bis zu diesem Zeitpunkt nicht eine eindeutige Identität und daher auch nichts Schützenswertes. Dann müsste man mit dem Potenzialitäts- und Identitätsargument laut aufschreien: „Doppelmord!“ Was absurd klingt, ist aber die logische Schlussfolgerung. Wenn jede Zelle eine Identität und Potenzial hat, so wäre der Tod jeder einzelnen Zelle ein Mord. Ich will gar nicht weiter auf die Individualität eingehen, auch wenn ich sie noch aus anderen Gründen als Kriterium für unsinnig halte. Fest steht doch, dass Steinvorths hinreichende leider nicht mit den notwendigen Bedingungen „kompatibel“ ist. Erklärt man sich mit den notwendigen Bedingungen einverstanden, so ist Martens Folgerung, man müsse wiederum jeden Embryo schützen, richtig. Nachdem Steinvorth bei seinem ersten Vortrag eindeutig das Speziesargument bemühte, dieses bei unserem Philo-Abend zugunsten von Potenzialitäts- und Identitätsargument aufgab, da das Speziesargument nicht haltbar gewesen wäre, kann er nun zumindest nicht auch noch das Kontinuumsargument benutzen; dieser Widerspruch wäre wohl zu offensichtlich. Trotz alledem bin ich mir sicher, dass er sich auch hier herauswinden wird.

Wozu der Aufwand, wird sich mancher fragen, hat nicht schon Merkel beide Argumente widerlegt? Ja und nein. Einerseits gibt es gegen seine Beispiele nicht viel einzuwenden. Andererseits beweisen diese aber auch nicht, dass die Argumente falsch sind, sie führen diese lediglich ad absurdum. Vielleicht wäre es ja richtig, Ei- und Samenzelle unter Schutz zu stellen? Außerdem lässt sich dagegen einwenden, dass beide erst zusammen das Potenzial haben, zu einem Kind zu wachsen. Zum Identitätsargument lässt sich sagen, dass das Beispiel zwar demonstriert, wie praxisfern eine solche Norm wäre, was aber nicht das Argument an sich entwertet. Auch, dass lediglich eine genetische Identität besteht, ist kein Problem, wenn man davon ausgeht, dass sich alle Zellen des Körpers alle sieben Jahre komplett erneuern. Das einzige, was der „neue“ dann noch mit dem „alten“ Menschen biologisch gemein hat, ist das Erbgut, das auch weiterhin in jeder Zelle identisch ist.

Dass diese Argumente trotzdem nicht den Schutz eines Embryos begründen können, wird klar, wenn man sich Kants Definition des Selbstzwecks des Menschen verdeutlicht.

Der Mensch ist Selbstzweck, weil er in der intelligiblen Welt eine Kausalkette in Gang setzen kann. Seine Entscheidungen sind frei und keiner anderen Kausalkette unterworfen. Daher ist ein Mensch nicht austauschbar, er ist einzigartig. Darauf, und allein darauf beruht sein Anspruch auf Schutz. Ein Embryo kann, da er so etwas wie Selbstbewusstsein, Autonomie und moralische Entscheidungsfreiheit nicht hat, nach diesem Maßstab nicht schützenswert sein. Auch ist nach Kants Definition nicht einsehbar, warum ein Potenzial zur Entwicklung dieser Eigenschaften einen Schutzanspruch begründen soll. Dieses Potenzial ist nicht einzigartig, es ist ein Glied in einer Kausalkette. Ein Embryo kann erst durch seine freien Entscheidungen diese Kette durchbrechen und dadurch seinen Anspruch auf Schutz rechtfertigen. Vorher ist er beliebig austauschbar, denn alles, was einen Embryo vom anderen unterscheidet, ist sein Genom. Diese genetische Individualität hat aber, wie Steinvorth gegen Hans Jonas so brillant gezeigt hat, keinerlei Einfluss auf die Entwicklung der Selbstzweckeigenschaften. Nur aufgrund dieser biologischen Individualität ist ein Embryo also nicht im kantischen Sinne einzigartig. Dies zeigt gleichzeitig, warum das Identitätsargument ebenfalls nicht funktioniert. Die genetische Identität hat keinen Einfluss auf den Selbstzweck des Menschen, sie kann ihn also auch nicht begründen.

Was sollen wir nun tun? Uns auf Merkels Gattungssolidarität zurückziehen? Dies wäre der sichere Tod unserer heutigen Gesellschaft. Aber glücklicherweise scheitert die logische Konsequenz an der praktischen Durchsetzbarkeit. Wer will denn beurteilen, wer einen freien Willen, Autonomie, Selbstbewusstsein etc. hat? Dies ist nie mit absoluter Sicherheit zu sagen. Dass nicht schon ein ungeborenes, aber körperlich voll entwickeltes Baby einen freien Willen beweist, wenn es gegen den Bauch der Mutter tritt, kann nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden. Wenn wir aber nicht in der Lage sind, klare Einschnitte vorzunehmen, dann ist jeder Zeitpunkt willkürlich gewählt. Wir erinnern uns an das Kontinuumsargument und Merkels Gegenargumentation: er schafft es nicht, dieses Argument zu widerlegen, indem er behauptet, man könne klare Einschnitte machen. Er beweist nur, dass wir sehr wohl zulässige Einschnitte machen können, wenn wir eine Grauzone definieren und dann weit vorher ansetzen.

So unbefriedigend dies, wie ich bereits in der Einleitung ausführte, ist, so glücklich können wir uns doch schätzen, dass unsere Technik zu einer solchen Überprüfung noch nicht in der Lage ist. Da wir nun einmal nach praktischen Lösungen suchen, möchte auch ich meinen Teil dazu beitragen.

Unser Problem ist, dass wir nicht wissen, wann wir biologisch befähigt sind, freie Entscheidungen zu treffen. Wir wissen aber, dass wir nicht in der Lage dazu sind, solange nicht zumindest alle „Teile“ des menschlichen Körpers vorhanden sind, die auch ein erwachsener Mensch hat (dass es hierbei nicht auf einen Arm oder ein Bein ankommt, sollte klar sein). Daraus ergibt sich meiner Meinung nach automatisch ein guter Zeitpunkt, um zwischen schützenswertem und nicht schützenswertem menschlichen Leben zu unterscheiden, nämlich der Zeitpunkt, an dem alle Organe und Körperteile vorhanden sind. Vorher können wir mit Sicherheit ausschließen, dass wir einen Selbstzweck vernichten, sobald der menschliche Körper aber komplett entwickelt ist und nur noch wachsen muss, was dann tatsächlich ein Kontinuum darstellt, beginnt eine Grauzone, in die wir aus Sicherheitsgründen keine Einschnitte mehr machen dürfen.

Ich habe mich entschieden, den „offiziellen“ Übergang vom Embryo zum Fötus zu wählen. Nach dem zweiten Monat nämlich ist der menschliche Körper voll, nur eben noch nicht fertig entwickelt; er muss noch wachsen. Dieser Punkt (ich würde zwei Monate hier als acht Wochen definieren) scheint auch deshalb früh genug, weil ein Schmerzempfinden erst nach neun Wochen zweifelsfrei nachzuweisen ist und daher auch emotionale Bedenken zumindest abgeschwächt werden.

Embryonen wären also grundsätzlich nicht schützenswert, erst der Fötus mit einem Alter von acht Wochen würde zum Inhaber der Menschenwürde. Das Embryonenschutzgesetz könnte demnach komplett abgeschafft werden, da es sich nur auf den Embryo bezieht. Der Fötus ist in der deutschen Gesetzgebung kein Sonderfall, sondern dem gleichen Schutz unterworfen wie ein erwachsener Mensch. Dies müsste auch weiterhin so bleiben.

Diejenigen, die nun aufschreien, wie man es zulassen könne, an einem Embryo so lange zu forschen – er sei doch im zweiten Monat schon lange kein bloßer Zellhaufen mehr – mögen bedenken, was eine restriktivere Regelung zur Folge hätte: Abtreibung würde praktisch unmöglich. Bereits diese Lösung beschränkt die zur Abtreibung zur Verfügung stehende Zeit von drei auf zwei Monate. Z.B. den 25. Tag als Grenze zu wählen (ab dem 25. Tag sind alle Organe angelegt, das Herz arbeitet usw.) würde einem Verbot gleichkommen, da Schwangerschaften in diesem Zeitraum oft noch gar nicht bemerkt werden, von der nötigen Bedenkzeit ganz abgesehen.

Viele, auch Steinvorth (sehr enttäuschend, wie ich fand), machen einen Unterschied zwischen verbrauchender Embryonenforschung und Abtreibung. Während die Forschung verbindlich daran gebunden ist, dass Embryonen nach dem 14. Tag Inhaber der Menschenwürde und damit unantastbar sind, stellt die Abtreibung nicht nur in der Rechtspraxis, sondern auch in den Ansichten vieler Philosophen einen Sonderfall dar, der nicht an solche Normen gebunden ist. So spricht sich Steinvorth zwar einerseits für eine strikte Abtreibungsregelung aus, gesteht aber auf Nachfrage ein, dass es wohl Ausnahmefälle gebe. Spricht man einem Embryo Menschenwürde zu, so darf es eine solche Abwägung aber nicht geben. Das Besondere der Menschenwürde ist eben, dass sie nicht relativ ist, sondern absolut. Ein Leben darf nicht gegen ein anderes abgewogen werden. Somit muss eine solche Gesetzgebung, wie eben von mir vorgeschlagen, auch für beide Fälle gelten.

Leider komme auch ich nicht ganz umhin, eine Einschränkung zu machen. Der Fall einer schwangeren Frau, die nur überlebt, wenn das Kind vorher entfernt und getötet wird, muss anders angegangen werden: hier steht man nicht vor der Entscheidung Leben gegen Leben, hier kann man sich nur für ein Leben oder kein Leben entscheiden: die Frau überlebt ohne das Kind, das Kind aber nicht ohne die Mutter. Wie die Entscheidung hier ausfallen muss, ist klar.

Ich bin allerdings selbst nicht der Ansicht, dass Embryonenforschung unbeschränkt möglich sein sollte. Hier hilft Merkels Gattungssolidarität weiter. Diese besagt, wie bereits oben ausgeführt, dass alles menschliche Leben grundsätzlich geschützt werden muss, im Zweifelsfall aber gegen ein anderes abwägbar ist. Bei der Abtreibung eines Embryos würde eine solche Abwägung stattfinden (und im Gegensatz zur Abtreibung eines Fötus, der ja Inhaber der Menschenwürde ist, ist sie hier auch zulässig), es würde nämlich die Menschenwürde der Mutter für stärker befunden als die Gattungssolidarität mit dem Embryo. Meiner Ansicht nach liegt eine solche Abwägung auch bei der Embryonenforschung zu medizinischen Zwecken vor. Wie Merkel es formuliert: „Wenn Embryonenforschung moralisch erlaubt und die Heilung von Leiden moralisch geboten ist, dann ist auch Embryonenforschung moralisch geboten.“ Ich würde beide Wenn-Fragen mit „Ja“ beantworten und entsprechend die Schlussfolgerung für zutreffend halten. In diesem Fall würde eine moralische Norm, nämlich Leiden zu heilen, also stärker wiegen als die Solidarität mit dem Embryo. Willkürliche Embryonenforschung ließe sich auf diesem Wege jedoch verbieten. Wirtschaftliche Zwecke jedenfalls, so lässt sich festhalten, haben keinen Vorrang vor der Gattungssolidarität (ich hoffe, ich muss dies nicht weiter ausführen).

Dies ist nicht ganz sauber, weil man ein Gefühl, wie die Gattungssolidarität es ist, eigentlich nicht vorschreiben kann. Eine Gesetzgebung kann sich jedoch nicht an den Gefühlen des Einzelnen orientieren, sondern muss versuchen, eine allgemeine, möglichst für alle annehmbare Lösung zu finden. Zumindest wäre eine Gesetzgebung, die eine Abwägung auf der Basis der Gattungssolidarität vornimmt, besser als eine, die dieses Gefühl als Basis für einen absoluten Schutz menschlichen Lebens benutzt. Das Embryonenschutzgesetz sollte also nicht ganz abgeschafft, sondern dahingehend verändert werden, dass es Fälle definiert, in denen Embryonenforschung bzw. auch die Tötung von Embryonen legitim ist.

Die Frage der Präimplantationsdiagnostik ist letztlich eine ähnliche. Bei der PID werden mehrere Embryonen erzeugt, die dann auf Erbkrankheiten untersucht werden. Nur ein gesunder Embryo wird der Frau eingepflanzt, alle anderen werden getötet. Dies ist die einzige Methode, mit der sichergestellt werden kann, dass Menschen mit schwerer Erbkrankheit eigene Kinder bekommen, die diese Krankheit nicht haben. Für das erste Problem der PID habe ich bereits eine Lösung angeboten: da Embryonen keine Menschenwürde besitzen, können also auch einige von ihnen erzeugt und dann wieder getötet oder, sinnvoller, zur Forschung freigegeben werden. Das moralische Prinzip, Leiden für Träger der Menschenwürde zu verhindern, sollte hier stärker sein als die Solidarität mit den Embryonen.

Viele lehnen PID ab, weil sie darin eine Selektion sehen. Sicher ist es das. Aber Selektion an sich ist doch nicht verwerflich. Es kommt nur darauf an, was selektiert wird. Wenn Selektion beinhaltet, dass schützenswertes Leben vernichtet wird, weil es nicht einer Norm entspricht und für nicht lebenswert befunden wird, dann ist das schweres Unrecht. Wenn jedoch nur eine Auswahl unter mehreren nicht schützenswerten Embryonen getroffen wird, so ist allein diese Selektion nicht unrechtmäßig. Ich glaube, oft steckt die Angst vor einem neuen Dritten Reich dahinter, in dem durch Euthanasie eine solche verwerfliche Selektion vorgenommen wurde. Bei PID geht es aber darum, zu verhindern, dass Leiden entsteht, nicht darum, Kranken und Behinderten ihre Existenzberechtigung abzuerkennen.

Das Argument, man würde, wenn man Behinderungen verhindert, Behinderten indirekt ihr Recht auf Leben nehmen, ist übrigens nicht so grundsätzlich falsch, wie wir dies zunächst angenommen hatten. Geht man, wie Hößle, davon aus, dass auch Embryonen schützenswert sind, dann ist das Beispiel von Steinvorth falsch gewählt. Treffender wäre in diesem Falle folgendes Szenario: es ereignet sich ein Autounfall, im Auto saßen der Fahrer, der sofort tot war, und vier Säuglinge, drei verletzt, einer gesund. Die Sanitäter am Unfallort retten den gesunden, töten aber die drei kranken Säuglinge. Ich vermute, jeder, der aus einem Unfall mit körperlichen Schäden hervorgegangen ist, würde beginnen, sich zu sorgen, dass die netten Sanitäter eines Tages bei ihm vor der Tür stehen und sein unwürdiges Leben ebenfalls auslöschen wollen.

Da ich Embryonen aber nicht für schützenswert halte, funktioniert dieses Argument bei mir auch nicht.

Oft fließen auch gesellschaftspolitische Überlegungen mit in die Diskussion ein: führen insgesamt weniger Behinderte nicht zu einer stärkeren Diskriminierung der vorhandenen? Aber dies ist doch kein Argument dafür, Leiden zuzulassen. Es zeigt nur, dass die Toleranz noch immer nicht sehr groß ist und dass weitere Aufklärungsarbeit geleistet werden muss. Außerdem: würde sich nicht jeder Behinderte dafür aussprechen, dass es nicht noch mehr Menschen gibt, die so leiden müssen wie er?

Können wir gesunden Menschen es uns anmaßen, zu entscheiden, dass behinderte Kinder auf die Welt kommen? Zu sagen, wir hätten die Verantwortung nicht, wenn wir die Entwicklung dem Zufall überlassen, ist falsch: sobald wir die Möglichkeiten haben, sind wir in der Verantwortung, und wir tragen die Verantwortung für jeden Menschen, der behindert zur Welt kommt. Können und wollen wir das? Ich hoffe doch dass nicht.

 

Klonen: Wann beginnt Instrumentalisierung?

Der Titel zeigt schon, mit welchem Problem ich mich in diesem Abschnitt beschäftigen will. Steinvorth hat bereits – für mich überzeugend – bewiesen, dass die Individualität eines Klons nicht gefährdet ist, zumindest nicht mehr, als die eines eineiigen Zwillings. Äußere Einflüsse, die einen Klon in der Entwicklung stärker behindern als ein normales Kind, sind kein Argument gegen das Klonen an sich, sondern nur gegen die Erdrückung von Kindern mit elterlichen Wunschvorstellungen und für eine Aufklärung der Gesellschaft über die tatsächliche Determination eines Klons.

Irrgang führt dagegen an, Klonen sei eine Instrumentalisierung, und nach Kants Definition der Menschenwürde sei dies nicht zulässig. Um dieses Argument beurteilen zu können, empfiehlt es sich, zunächst Kants Begriff der Instrumentalisierung zu untersuchen. Dort findet sich die sog. „Selbstzweckformel“, die Irrgang verwendet: „Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“ Diese Formulierung ist leider nicht ganz eindeutig. Im Prinzip kann ich nämlich jedem Menschen im Umgang mit einem anderen unterstellen, er benutze diesen nur zu einem Zweck: ich unterhalte mich mit ihm – aber nur zu meiner Unterhaltung; ich tue ihm einen Gefallen – aber nur, um hinterher ein gutes Gefühl zu haben. Auf der anderen Seite ist es schwierig, nachzuweisen, dass jemand in einer bestimmten Situation einen Menschen nur als Mittel benutzt und ihn nicht zugleich auch als Zweck gesehen hat. Beispiel: Ich habe ihn zwar gezwungen, das zu tun, aber es war doch auch zu seinem Besten. Das Problem mit dieser Definition ist klar: ob ein Mensch instrumentalisiert wird, hängt von der subjektiven, kaum objektiv zu überprüfenden Einstellung des Täters, nicht des Opfers ab. Sie ist somit als Basis für eine allgemeine Gesetzgebung gänzlich ungeeignet.

Zieht man Kants Definition zum Beweis heran, hat übrigens Steinvorth mit seiner Antwort auf die Frage, ob Eltern ihren Sohn klonen lassen dürfen, damit der Klon dann Knochenmark o.ä. spendet, Recht. Er führt nämlich an, die vorliegende Nutzung des Klons als „Ersatzteillager“ wäre noch keine Instrumentalisierung, da dieser genau so seiner selbst wegen geliebt werden könne wie der erste Sohn und sonst bei fast jeder Zeugung eine Instrumentalisierung stattfinden würde, da die wenigsten Kinder nur ihrer selbst wegen gezeugt würden.

Ich bin der Meinung, dass hier eine andere, klarere Definition der Instrumentalisierung gefunden werden muss, und möchte dazu auch einen Vorschlag machen. Für mich beginnt Instrumentalisierung dann, wenn ein Mensch gegen seinen Willen als Mittel benutzt wird. Dies scheint sinnvoll, da wir einerseits festgestellt haben, dass die Menschenwürde nach unserem Empfinden schon lange verletzt sein kann, bevor eine vollständige Instrumentalisierung vorliegt bzw. nachweisbar ist und andererseits natürlich nicht jede Benutzung eines Menschen als Mittel auch ein unzulässiger Eingriff in dessen Würde ist. Diese Variante widerspricht auch nicht der kantischen Definition. Ich behaupte nämlich, dass jemand, sobald er einen anderen Menschen gegen dessen Willen zwingt, etwas zu tun, diesen ausschließlich als Mittel und keineswegs mehr als Zweck braucht; würde er nämlich noch den Selbstzweck dieses Menschen sehen, so würde er ihn nicht zu etwas zwingen. Benutze ich einen Menschen zwar einerseits als Mittel, respektiere aber andererseits seinen freien Willen, ob er dieses Mittel sein will oder nicht, so sehe ich in ihm immer auch den Zweck; andernfalls wäre ich nicht auf sein Einverständnis angewiesen. So gesehen ist meine Definition nur eine Umkehrung der Perspektive und dadurch wohl etwas einfacher in der Handhabung.

Was aber mache ich, wenn der Wille der jeweiligen Person nicht feststellbar ist? In diesem Falle darf ich keine Entscheidung treffen, wenn ich nicht a priori davon ausgehen kann, dass die Person sich in einer bestimmten Weise entscheiden würde. Noch einmal zur Verdeutlichung: dies wäre eine Instrumentalisierung, denn warum sonst sollte ich eine Entscheidung möglicherweise gegen den Willen der Person treffen, wenn nicht zu meinem eigenen Nutzen, womit der Mensch also wiederum nur ein Mittel zum Zweck wäre.

Hier müssen allerdings auch Ausnahmen gemacht werden: Eltern und ein Vormund sind durch das Gesetz berechtigt, für Kinder (oder alte Menschen) genau diese Entscheidungen zu treffen, da Kindern die Fähigkeit abgesprochen wird, zu ihrem eigenen Zweck zu entscheiden. Natürlich wird vorausgesetzt, dass die Entscheidungen der Eltern immer zum Nutzen des Kindes sind. Da wir hier wieder mit der kantischen Definition arbeiten müssen und wir bereits feststellten, dass sich die Einstellung der Täter kaum überprüfen lässt, verzichtet der Gesetzgeber darauf, eine Kontrolle vorzunehmen; er hat aber eindeutige Fälle solchen Missbrauchs unter Strafe gestellt.

Ich stelle außerdem fest, dass die Herangehensweise an das Grundproblem, d.h. ob Klonen Instrumentalisierung ist oder nicht, meiner Meinung nach falsch ist. Es wird immer die Zeugung bzw. die Erzeugung eines Klons als Instrumentalisierung angesehen, da diese bspw. dazu dient, einen Knochenmarkspender zu schaffen. Für mich ist dies unzulässig. Meiner Meinung nach muss jeder Schritt, der zu einem solchen Ziel führt, einzeln darauf untersucht werden, ob eine Instrumentalisierung vorliegt. So wird eine liebevolle Erziehung durch die Eltern sicher nicht gegen den Willen des Klons sein, auch wenn sie letztlich dem Zweck dient, ihn als Knochenmarkspender zu erhalten. Eine Instrumentalisierung liegt erst dann vor, wenn der Klon tatsächlich gegen seinen Willen dazu gezwungen wird, Knochenmark zu spenden. Wird er aber nicht gut behandelt, sondern beispielsweise in einer Abstellkammer untergebracht und misshandelt, so ist dies eine Instrumentalisierung, unabhängig davon, welche Ziele der Eltern in diesem Fall zu Grunde liegen. Meiner Ansicht nach ist nicht jeder Schritt, der als Mittel zu einem Zweck dient, danach zu bewerten, ob die betreffende Person mit diesem Endzweck einverstanden ist. Vielmehr muss geprüft werden, ob der einzelne Schritt gegen den Willen der Person ist. Dies ist absolut keine Freigabe, da der letzte Schritt immer genau diesem Endzweck unterliegt, welcher abgelehnt werden kann. Außerdem kann ein einzelner Schritt natürlich im Hinblick auf das Endziel nicht dem Willen entsprechen, er muss es aber eben nicht. Ich möchte zur Verdeutlichung auf ein Beispiel Irrgangs zurückgreifen: ein Kind wird gezeugt, damit es später einmal den Vater als Chef der Firma beerbt. Seine Erziehung durch die Eltern, die sehr liebevoll sind, tut ihm gut, die Schule, ein Elitegymnasium, bringt viel Spaß, er studiert wie sein Vater BWL, weil dies genau seinen Interessen entspricht. Dann soll er die Firma übernehmen – und sagt nein. Was ich damit zeigen will: nicht jeder Schritt, obwohl von den Eltern auf das Ziel der Firmenübernahme ausgerichtet, ist eine Instrumentalisierung, wenn sie auch dem Willen des Sohnes entspricht. Dieser kann den letzten Schritt immer noch ablehnen.

Ich will noch einmal auf meine Definition der Instrumentalisierung zurückkommen. Eine Entscheidung für jemanden, den wir nicht nach seinem Willen befragen können, darf nicht getroffen werden, so nicht a priori davon auszugehen ist, dass die betreffende Person dieser zustimmen würde. Ein nach diesem Schema zu bewertender Fall liegt vor, wenn ein Kind gezeugt wird: ich hatte ausgeführt, dass nicht jeder Schritt nach dem Endzweck bewertet werden darf, es muss aber jeder Schritt für sich geprüft werden.

Wir können das Kind jedoch nicht fragen, ob es denn gezeugt werden möchte. Dürfen wir in Zukunft keine Kinder mehr zeugen? Natürlich dürfen wir, denn es ist wohl unzweifelhaft, dass ein Kind nichts gegen seine eigene Zeugung einzuwenden hätte, wir können dies also a priori annehmen.

Daher ist es unsinnig, zu argumentieren, die Zeugung eines Kindes sei eine Instrumentalisierung; diese findet erst statt, sobald das Kind auch zu einem seinem Willen widersprechenden Zweck verwendet wird.

Also ist Klonen grundsätzlich erlaubt? Nein! Wer aufmerksam gelesen hat, hat bemerkt, dass ich bisher nie vom Klonen, sondern immer nur allgemein von Zeugung eines Kindes gesprochen habe. Beim Klonen handelt es sich nämlich um einen anderen Sachverhalt als bei der natürlichen Zeugung. Da hier ein Eingriff in die natürliche Entwicklung stattfindet, indem das eigentlich einzigartige Erbgut eines Menschen noch einmal verwendet wird, ist auch dies als einzelner Schritt auf dem Weg zum Endzweck anzusehen, der wiederum darauf überprüft werden muss, ob er a priori die Zustimmung des Menschen findet. Genau dies ist aber nicht zweifelsfrei zu sagen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Kind seinem Vater so ähnlich wie möglich sein möchte, oder dass es bestimmte Eigenschaften, bestimmte Fähigkeiten, die den Eltern wichtig erscheinen, haben möchte. Da andersherum der Wille zu einem einzelnen Schritt aber durchaus vom Endziel abhängen kann, ist auch dieses darauf zu untersuchen, ob es vom späteren entwickelten Menschen in jedem Fall Zustimmung finden würde. Für ein Ziel wie biologische Unsterblichkeit der Eltern oder eben den Wunsch der Eltern, dass ihre Kinder in ihre Fußstapfen treten, ist dies nicht vorauszusagen. Ich behaupte aber, dass davon, dass ein moralisches Prinzip dem Willen der Person entspricht, a priori ausgegangen werden kann.

Diese Prämisse ist natürlich angreifbar. Schließlich ist der freie Wille des Menschen nicht an moralische Prinzipien gebunden. Es ist jedoch eine Idealvorstellung, dass der Wille eines Menschen auch immer moralisch gut ist, und da wir bei der Beurteilung eines Problems von einer Idealvorstellung ausgehen sollten, halte ich diese Einschätzung für legitim. Die Schlussfolgerung daraus wäre, dass die Eltern in dem auf unserem Philosophieabend angesprochenen Fall ihr Kind klonen lassen könnten, um es mit dem Knochenmark des Klons zu retten, da davon, dass das moralische Prinzip der Heilung von Leiden die Zustimmung des Klons findet, a priori auszugehen ist.

Wer hier einen Widerspruch zu meinen eigenen Ausführungen sieht, hat zunächst Recht. Ich habe selbst auf die Erziehungsberechtigung der Eltern verwiesen. Wenn diesen also ohnehin das Recht zukommt, für ihre Kinder zu entscheiden, wozu dann der Aufwand, festzustellen, ab wann eine Instrumentalisierung vorliegt? Einfach deshalb, weil der Gesetzgeber, wie erwähnt, bestimmte eindeutige Fälle von vornherein verbieten sollte. Nun bedeutet „eindeutig“ in diesem Fall leider „eindeutig uneindeutig“, da eben nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein Kind aus bestimmten Gründen geklont werden möchte. Warum werden dann nicht alle genau so „eindeutigen“ Fälle verboten? Weil hier ein Unterschied in der Qualität der Konsequenz vorliegt. Wenn eine Mutter es für sinnvoll hält, dem Kind blaue Strampelanzüge zu kaufen, aber nicht a priori davon ausgehen kann, dass das Kind blaue Strampelanzüge mag, dann sind die Folgen für das Kind, wenn es tatsächlich keine blauen Strampelanzüge leiden kann, doch deutlich andere, als wenn die Mutter die blonden Haare des Vaters so toll findet, dass sie deshalb einen Klon von diesem haben möchte, und das Kind später seine blonden Haare überhaupt nicht mag und damit dann aber sein ganzes langes Leben herumlaufen muss. Körperliche Konsequenzen einer Entscheidung haben immer eine andere Tragweite und sind deshalb auch durch den Gesetzgeber besonders zu verhindern.

Ein letzter Punkt fällt mir noch ein, den man gegen meine Argumente einwenden könnte: ob für Klone nicht zunächst einmal das Gleiche zutrifft wie für natürlich gezeugte Kinder, nämlich, dass a priori davon auszugehen ist, dass sie gezeugt, oder in diesem Falle erzeugt, werden wollen. Meine Prämisse ist hier natürlich, dass eine Entscheidung zwischen natürlicher Zeugung und Klonierung ansteht. Die natürliche Zeugung ist sozusagen ein „Nullpunkt“; sie allein kann keine Instrumentalisierung darstellen, da sie die natürliche Variante ist, hinter der man eigentlich keinen über die Zeugung hinausgehenden Zweck erwarten sollte. Wenn ein Ehepaar nun argumentiert, bei ihnen würde keine Entscheidung zwischen zwei Methoden fallen, sondern zwischen Klon und gar keinem Kind, und man müsste entsprechend davon ausgehen, dass das Kind lieber als Klon statt gar nicht auf die Welt kommen würde, dann ist das nicht korrekt. Zunächst fällt die Entscheidung zwischen Zeugen und Erzeugen, wenn das Erzeugen dann durch das Gesetz untersagt wird, beschließen sie, statt einem natürlich gezeugten doch lieber gar kein Kind zu bekommen.

 

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