Gentechnologie

Die Gentechnologie ist dieser Tage in aller Munde. Die Debatte wird über die Vorzüge und Nachteile dieser neuartigen Form der Wissenschaft geführt, die es ermöglicht, Gene von Menschen sowie bei Pflanzen und Tieren zu verändern. Diese Argumente werde ich im Folgenden präsentieren und die entsprechenden Folgerungen ziehen.

Beginnen wir mit den Vorteilen der Gentechnologie, die einerseits im Bereich der Lebensmittel und andererseits in dem der Gesundheit liegen.

Viele Menschen plagt der Gedanke, dass die konsumierten Lebensmittel zu sehr chemikalisch behandelt, dass sie zu sehr mit Giftstoffen gespritzt wurden. Dadurch entstünde eine Gefährdung der Gesundheit des Menschen. Die Gentechnologie wird der Lebensmittelbranche indes Mittel an die Hand geben können, die es ermöglichen, Nutzpflanzen resistent gegen Schädlinge und Krankheiten und somit Chemikalien überflüssig zu machen. Und damit nicht genug: Während heute die mangelnde Produktivität der Landwirtschaft in der Dritten Welt häufig zu Hungersnöten führt, wird man demnächst in der Lage sein, Pflanzen zu züchten, die besser geeignet sind für die natürliche Umgebung in derartigen Ländern. Dadurch kann die Versorgung der bislang benachteiligten Bevölkerung der Entwicklungsländer verbessert werden.

Darüber hinaus verspricht die Gentechnologie großartige Fortschritte im Bereich der Gesundheit. Die Medizin wird in der Lage sein, das körperliche Wohlergehen sowohl vor der Geburt als auch zu Lebzeiten des Patienten zu steigern. Pränatal tätig zu werden, hieße, das Genom des Babys auf Erbkrankheiten hin zu untersuchen. Wenn ein Arzt also im Gengepäck eines Embryos beispielsweise Hinweise auf eine Krebserkrankung desselben entdeckt, ließe sich diese Gefahr vorzeitig ausräumen. Ohne Frage können im Lebensverlauf dieses Menschenkindes unerwartet Krankheiten auftreten; diese wiederum lassen sich mit Hilfe der Gentechnologie jedoch auch besser bekämpfen als bisher: Z. B. erhält der Patient bei Bedarf neue gezüchtete Organe. All diese Methoden können den Menschen einem alten Ziel entscheidend näher bringen, nämlich – wenn schon nicht der Unsterblichkeit, dann doch einer höheren Lebenserwartung.

Doch auch das gentechnologische Blatt hat zwei Seiten. Die soeben aufgeführten Vorteile bringen auch Nachteile mit sich, die hauptsächlich mit gesellschaftlichen und ethischen Fragen verbunden sind.

Man stelle sich vor, ein Mensch hat eine schwere Krankheit zu befürchten – so wurde es ihm zumindest von Seiten der Ärzte prophezeit. Wird er damit umzugehen in der Lage sein? Wird seine Psyche übermäßig belastet, so dass Angstzustände oder Minderwertigkeitskomplexe die Folge sind? Über die persönliche Ebene hinaus geht die Frage nach der Reaktion in der Arbeitswelt. Wie wird ein Vorgesetzter handeln, wenn er um die bevorstehende Krankheit weiß? Wird ein Bewerber um eine Stelle noch Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, wenn in seiner „Personalakte“ vermerkt ist, dass er erkranken wird? Dieser Mensch wird seiner beruflichen Möglichkeiten und Chancen beraubt. Man kann das Szenario noch weiter spinnen: Wird dieser Mensch einen Lebenspartner finden, der bereit ist, die zu erwartende Krankheit in Kauf zu nehmen? Wohl kaum.

Die ethische Problematik erstreckt sich weiterhin auch auf den Nachwuchs. Wenn die Wissenschaft – wie gesagt – vermögend sein wird, Krankheiten vor der Geburt auszuschließen, wird es gleichwohl ein Leichtes sein, auch die äußerlichen Merkmale und die charakterlichen Eigenschaften eines Kindes zu manipulieren, dessen Einzigartigkeit in der Menschheit damit unterlaufen wäre. Der Gedanke an einen Katalog für verschiedene Augen- und Haarfarben bereitet mir Schwierigkeiten. Über diese vielleicht „kleinlichen“ und „altmodischen“ Einwände hinaus, muss man sich der gesellschaftlichen Folgen dieser Planung bewusst sein. Zu welchen sozialen Ungleichgewichtungen wird es kommen müssen z. B. in einer Gesellschaft, in der Jungen als wertvoller angesehen werden als Mädchen?

Mit der Perfektion des Menschen wird die Toleranz gegenüber denen sinken, die die Standards nicht erfüllen, i. e. Menschen mit Behinderungen. Nach schrecklichen Umwegen in der Geschichte gelingt es der Gesellschaft mittlerweile, Behinderte zu integrieren, ihren Wert anzuerkennen, auch wenn dieser nicht auf den ersten Blick sichtbar ist. Diese Fähigkeit wird – so ist zu befürchten – abnehmen.

Neben den Gefahren für eine intakte Gesellschaft bringt die Gentechnologie Risiken für die Natur mit sich. Es ist nicht im geringsten klar, inwiefern sich die Verbreitung von genmanipulierten Pflanzen auf die Ökologie insgesamt auswirken wird.

So weit zum pro und contra der Gentechnologie. Im Gegensatz zu „normalen“ Situationen, in denen man zwei Seiten gegeneinander abwägen kann, besteht diese Möglichkeit hier nicht. Nicht zufällig verwandt ich in meinen Ausführen bislang nicht das Konditional, sondern das Futur. Der Fortschritt in der Gentechnologie wird nicht aufzuhalten sein. Ein Gesetz, wie das jüngst im Bundestag verabschiedete, kann  höchstens die Forschung aus Deutschland vertreiben. Langfristig wird indes niemand an dieser Entwicklung vorbeikommen. Daher gilt es, den Prozess nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Die Frage lautet nicht: „Sollen unsere Kinder ihre Gene beeinflussen können?“ sondern „Wie sollen genetische Veränderungen vor sich gehen? Wer soll davon profitieren?“ usw. Es muss darum gehen, die Individualität des Menschen zu wahren; ihm seine Privatsphäre zu sichern und einer gesellschaftlichen Spaltung in diejenigen, die sich den gentechnologischen Luxus leisten können, und die, die davon ausgeschlossen sind, vorzubeugen.

 

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